Am 7. Mai 2025 hat die Schweiz ihren nationalen Overshoot Day erreicht. Das ist der Tag, an dem wir alle Ressourcen verbraucht haben, die uns eigentlich für das ganze Jahr zur Verfügung stünden. Zum Vergleich: 2024 war dieser Tag am 27. Mai, 2023 am 1. August.

Wir leben also aktuell, als hätten wir drei Planeten zur Verfügung. Tendenz steigend. Ein Bereich, in dem unser Ressourcenverbrauch besonders ins Gewicht fällt, ist das Wohnen.

Wohnen – unser unterschätzter Ressourcenfresser

45 % des Energieverbrauchs in der Schweiz entfallen auf Gebäude. Der Wohnflächenbedarf pro Person liegt bei etwa 46 m² – und nimmt weiter zu. Jede zusätzliche Wohnfläche bedeutet mehr Energie, mehr Baustoffe, mehr Emissionen, mehr Umweltbelastung.

Hinzu kommt: Über 50% des Bauabfalls entsteht im Gebäudesektor. Und rund 40% der CO₂-Emissionen werden durch das Bauen und Betreiben von Gebäuden verursacht.

Wir bauen und wohnen also nach einem linearen Prinzip: Nehmen, nutzen, wegwerfen. Ein Modell, das nicht auf die Begrenztheit unserer Ressourcen ausgerichtet ist – sondern so tut, als seien sie unerschöpflich. Ein Modell, das Ressourcen nicht NUTZT, sondern VER-BRAUCHT.

Innenraum einer Kleinwohnform mit Stuhl, der aus der Wand geklappt werden kann gross im Vordergrun

Kleinwohnformen und Kreislaufwirtschaft als Lösungsansatz

Hier setzen Kleinwohnformen an – als Baustein einer ressourcenschonenden und kreislauffähigen Wohnkultur:

  • Die kompakte Bauweise reduziert den Einsatz von Materialien und Energie massiv.
  • Der Einsatz von recycelten und kreislauffähigen Baustoffen schliesst den Materialkreislauf und entspricht dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft
  • Modulare Systeme ermöglichen flexibles Anpassen von Gebäuden und Räumen und das Wiederverwenden verbauter Materalie: Umnutzung und Rückbau statt Abriss und Neuproduktion.

Zum Beispiel: Ein Tiny House benötigt oft weniger als ein Drittel der Ressourcen eines durchschnittlichen Einfamilienhauses – und lässt sich versetzen, umbauen oder erweitern. So leisten Kleinwohnformen einen konkreten Beitrag zur Ressourcenschonung und Abfallvermeidung. Sie unterstützen die Ziele der Kreislaufwirtschaftsmodells: Ressourcen erhalten, Abfall vermeiden, Stoffkreisläufe schliessen.

Weniger Raum – mehr Zeit, mehr Freiheit

Weniger Raum bedeutet nicht weniger Lebensqualität – sondern oft sogar mehr. Kleinwohnformen fördern auch einen bescheideneren, bewussteren Lebensstil:

Weniger Wohn- und Stauraum führt automatisch zu weniger Konsum. Weniger Fläche bedeutet: weniger Heizkosten, weniger Unterhalt, geringere Fixkosten. Und dadurch mehr finanzielle und zeitliche Freiheit.

Zudem: durch bewusst gestaltete neue Wohnformen entstehen soziale Nähe, Kooperation und Gemeinschaft.

Studien zeigen, dass Menschen, die kleiner, bewusster wohnen, oft eine höhere Zufriedenheit empfinden – weil sie mehr Zeit und Ressourcen für Dinge haben, die ihnen wirklich wichtig sind.

Dies bestätigt auch der Erfahrungsbericht von Michi in seiner Kolumne „Michi’s Kleinwohnform“.

Innenraum einer Kleinwohnform mit Stuhl, der aus der Wand geklappt werden kann gross im Vordergrun

Die zweite Knappheit: bezahlbarer Wohnraum

Neben Ressourcen wie Energie, Boden und Materialien wird in der Schweiz auch etwas anderes knapp: bezahlbarer Wohnraum.

Gerade in Städten und Agglomerationen steigen die Mietpreise kontinuierlich. Gleichzeitig finden immer mehr Menschen keine passende, zahlbare Wohnung. Betroffen sind vor allem: junge Erwachsene in Ausbildung, Alleinerziehende und ältere Menschen mit kleinen Renten.

Zunehmend aber auch Gutverdiener, die strukturbedingt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, oft im letzten Drittel der Arbeitsphase. Und diese Situation könnte sich in den nächsten Jahren – aus verschiedenen Gründen – massiv zuspitzen.

Kleinwohnformen können hier eine wichtige Lücke schliessen: Durch ihre kompakte Bauweise und geringeren Baukosten lassen sich leistbare Wohnangebote schaffen.

Sie benötigen weniger Grundstücksfläche, was sie zur idealen Form der Nachverdichtung in Städten macht.

In gemeinschaftlichen Siedlungen können Ressourcen geteilt werden – etwa Waschküchen, Gästezimmer oder Mobilitätsangebote.

Und: Kleinwohnformen ermöglichen auch temporäre oder flexible Wohnmodelle – gerade für junge Erwachsene, Menschen in Übergangsphasen oder Nomaden des digitalen Zeitalters.

Kleinwohnformen schaffen somit vielfältige, flexible und solidarische Wohnlösungen, die realen gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechen.

Innenraum einer Kleinwohnform mit Stuhl, der aus der Wand geklappt werden kann gross im Vordergrun

Die Schweiz als Role Model?

Die gute Nachricht ist: In der Schweiz entstehen spannende Projekte, die zeigen, wie zukunftsfähiges Wohnen aussehen kann: Tiny House-Siedlungen entstehen in mehreren Regionen der Schweiz, innovative Genossenschaften setzen auf die Ergänzung mit modularen Kleinwohnformen, Gemeinden öffnen sich für temporäre Zwischennutzungen oder kombinierte Wohnmodelle.

Di Projekte zeigen: Nachhaltiger, bezahlbarer und verdichteter Wohnraum ist machbar – wenn der Wille da ist. Und man den Mut aufbringt, neue Wege zu gehen.

Die Schweiz gehört den kleineren Ländern der Welt – kompakte Wohnlösungen wären also naheliegend. Zudem werden den Schweizern Bescheidenheit und Präzision nachgesagt. Ersteres ist essenziell für das Leben auf kleinem Raum, Letzteres notwendig, damit alles auf engem Raum funktioniert.

Und auch eine der bekanntesten Schweizer Errungenschaften, das Taschenmesser, weist erstaunlich ähnliche Eigenschaften auf: alles, was man braucht, raffiniert kombiniert, kompakt und multifunktional.