Seit 23 Jahren ist Christine Lütolf leidenschaftliche Coiffeurin. 14 Jahre lang führte sie einen grossen Coiffeursalon mit Angestellten und Lernenden. 2020 verlegte sie ihren Arbeitsplatz von Menzingen nach Finstersee und arbeitet seither alleine in ihrem Tiny Hair House. Damit ging für sie ein Traum in Erfüllung.

Bist du zufrieden damit, in einem Tiny House zu arbeiten? Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?

Es ist noch viel besser, als ich mir je erträumt hätte. Mein Tiny House steht im hintersten Dorf im Kanton Zug ohne ÖV-Anbindung. Die Leute kommen trotzdem zu mir. Es gibt unzählige schöne Begegnungen mit Menschen, die extra von weit herkommen, um das Haus zu besichtigen. Vor allem im Sommer ist es sehr populär. Ich habe nebenan sogar einen Kiosk eingerichtet, wo man sich verpflegen kann. Ich habe interessante Menschen kennengelernt, wodurch sogar Freundschaften entstanden sind.

Was hat sich an deiner Arbeit verändert, seitdem du in einem Tiny House arbeitest?

Die Kund:innen kommen gezielter zu mir, weil sie das Tiny House erleben wollen. Wenn jemandem die Idee nicht gefällt, kommt er nicht. So hat sich meine Kundschaft meiner Persönlichkeit und meinen Vorlieben angepasst und es ist oft so, dass es zwischenmenschlich gleich vom ersten Moment an irgendwie stimmt. So muss ich keine Menschen bedienen, die einfach schnell einen Haarschnitt wollen, sondern solche, die das Tiny House Erlebnis und meine Arbeit schätzen.

Kannst du empfehlen, in einem Tiny House zu arbeiten?

Auf jeden Fall, denn es bringt viel Ruhe mit sich. Es ist eine gewisse Form von Minimalismus, was grosse Entspannung in mein Leben gebracht hat.

Fehlt dir etwas im Tiny Hair House?

Nein, ganz im Gegenteil. Ich hatte zuvor 14 Jahre lang einen grossen Coiffeursalon mit über 100 m2, Angestellten und Lernenden. Am Anfang war die Vorstellung, nur noch 17 m2 Platz zu haben speziell. Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt und würde jetzt nie wieder tauschen wollen. Es hat vieles vereinfacht, wie zum Beispiel der Aufwand für die Reinigung.

Bilder von Philippe Niquille

Was hat dich zu deinem Traum vom Coiffeursalon im Tiny House inspiriert?

Ein Freund von mir liess sich ein Tiny House bauen und ich war total begeistert. Das war im Jahr 2017. Damals waren Tiny Houses in der Schweiz noch nicht so bekannt. Ich wusste sofort, dass ich auch ein Tiny House haben muss. Damals hatte ich aber noch nicht geplant, darin meinen Coiffeursalon einzurichten. Diese Idee kam später.

Du könntest also theoretisch in deinem Tiny Hair House leben?

Grundsätzlich ja, es wurde ursprünglich so konzipiert. Es hat oben zwei fest eingebaute Böden, wo je zwei Personen schlafen könnten. Unser Plan war, das Haus ferienmässig zu nutzen.

Für mich persönlich wäre die Wohnfläche von rund 17m2 aber zu wenig. Vor allem, wenn man zu zweit wohnt. Ich habe jedoch schon in einem 40m2 Haus gewohnt und das hat hervorragend funktioniert. “Tiny House” ist ja ein weiter Begriff. Für mich bedeutet das auch automatisch Reduzieren, Verkleinern und Minimieren. Diese Themen interessieren mich sehr.

Worauf bist du besonders stolz an deinem Tiny Hair House?

Dass ich es wirklich umgesetzt habe, obwohl es Leute gab, die gesagt haben: “Du bekommst niemals eine Bewilligung”. Ich bin froh, dass ich nicht auf sie gehört habe und es trotzdem so gestaltet habe, wie ich es mir vorgestellt habe.

Ausserdem bin ich stolz auf das Design. Ich habe die komplette Inneneinrichtung selber ausgesucht und meine persönliche Note eingebracht.

Bilder von Philippe Niquille

Wie war der Planungsprozess von deinem Tiny Hair House?

Ich war bei einem befreundeten Zimmermann. Vor dem Computer haben wir das Haus zusammen entwickelt und es später in Papierform gebastelt. Dann wurde das Haus nach meinen Wünschen gebaut. Am Anfang hat es einige Zeit als Übernachtungsmöglichkeit gedient. Ein Jahr später habe ich die Idee entwickelt, meinen Coiffeur Salon darin einzurichten. Wir haben bei der Gemeinde eine Bewilligung angefragt. Zum Glück hatte ich den geeigneten Stellplatz zuvor bereits gefunden. Dann wurden alle technischen Installationen wie Strom, Wasser und Abwasser gemacht.

Wie hast du deinen Stellplatz gefunden?

Ich hatte das Glück, einen guten Bekannten im Dorf zu haben, dem ein grosses Stück Bauland gehört. Deswegen war es auch einfacher, an eine Bewilligung zu kommen.

Hast du Tipps für andere Interessierte?

Ich glaube, viele Interessierte schrecken davor zurück, überhaupt zu fragen, weil sie davon ausgehen, dass es sowieso nicht funktioniert. Wir sind auf die Behörden zugegangen und haben sie mit ins Boot geholt.
Mein Tipp: Einfach Fragen.

War es schwierig von der Gemeinde eine Baugenehmigung für dein Tiny Hair House zu bekommen oder hat die Gemeinde gut kooperiert?

Die Gemeinde war von Anfang an sehr kooperativ und um eine Lösung bemüht. Wir haben auch gleich den Denkmalschutz miteinbezogen, weil der Stellplatz in einer inneren Kernzone liegt. Es war sicherlich einfacher, weil ich im Tiny House ein Business betreibe und nicht fix darin wohne.

Was war das Schwierigste am ganzen Projekt? Planung, Stellplatzsuche, Bau, Einrichtung, Wasser, Strom, Materialwahl?

Das Schwierigste war tatsächlich, den ersten Schritt zu machen, denn die Vision im Kopf war schon lange da. Das heisst, loszugehen, die Gemeinde anzufragen und alle Unterlagen zusammenzutragen. Da hatte ich zum Glück professionelle Unterstützung, ohne die wäre es nicht so einfach gewesen. Der Rest hat sich von selbst ergeben.

Bilder von Philippe Niquille

Gibt es Dinge, die du ändern respektive anders machen würdest?

Die ganze Temperaturregulierung ist eine Herausforderung, denn im Sommer wird es sehr schnell warm. Darum haben wir das Haus unter einen grossen Baum gestellt.

Ich habe teilweise Festverglasungen und da würde ich jetzt Fenster einbauen lassen, damit ich gut durchlüften kann. Im Winter heize ich mit einer elektrischen Bodenheizung. Über diese beiden Punkte würde ich mich beim nächsten Mal besser informieren.

Kannst du mir etwas über die Heizung und den Energieverbrauch deines Tiny Houses erzählen?

Ich habe im Tiny House eine elektrische Bodenheizung, das gewährt mir eine gleichmässige Wärme im ganzen Haus. Die Energiekosten belaufen sich auf ca. 125.00 CHF monatlich.

Wie hast du dein Tiny House isoliert? Welche Baumaterialien hast du verwendet?

Im Innenbereich wurden Fichtenplatten 19mm verarbeitet. Dazwischen hat es eine Isolation, aussen ist mit einer Fichtenschalung gearbeitet worden. Beim Bau wurden auf möglichst leichte Materialien geachtet. Da das Gesamtgewicht nicht überschritten werden sollte.

Was hat dein Tiny Hair House gekostet und wie hast du das finanziert?

Die ganzen Erstellungskosten belaufen sich auf 50’000 – 60’000 CHF. Dabei sind die Baggerarbeiten für die Kanalisation mit eingerechnet. Ich habe das Tiny House aus meinen Ersparnissen finanziert.

Wie hoch sind deine monatlichen Kosten?

Monatlich bezahle ich 450.00 CHF für den Stellplatz, da ist eine Mitbenutzung der WC-Anlage im Nebengebäude dabei. Die monatlichen Fixkosten belaufen sich etwa auf rund 1’000 CHF.

Gibt es noch etwas, was du gerne sagen und loswerden möchtest?

Falls man eine aussergewöhnliche Idee hat, sollte man unbedingt dranbleiben und in die Umsetzung kommen. Auf keinen Fall sollte man mit zu vielen Menschen darüber sprechen und nicht auf negative Kommentare hören. Nichts ist unmöglich.

Danke!

Wir möchten Christine herzlich für das spannende Interview danken, für ihre offenen Antworten und den Einblick in ihr Tiny Hair House.

ÜBER CHRISTINE

Christine ist Coiffeurin und Make-up Artistin und führt seit 2020 ihr Tiny Hair House in Finstersee im Kanton Zug.

Christine Lütolf | Mitglied Verein Kleinwohnformen

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