Isabel Güttinger ist seit fünf Jahren Tiny House-Bewohnerin. Ihr erstes Tiny House hat sie teilweise renoviert, anschliessend hat sie zwei Wagen von Grund auf komplett selbst gebaut. Seit November 2023 lebt sie nun in ihrem zweiten selbst ausgebauten Wagen und berichtet von ihren Learnings während der Bauprozesse.

Was hat dich zu einem Leben in einer Kleinwohnform geführt?

Ich zog in eine Gemeinschaft ein, in welcher sowohl Zimmer im Haus wie auch Wagenplätze vermietet wurden. Die ersten 1.5 Jahre wohnte ich im Haus. Als einer der Wagenbewohner auszog und intern seinen Wagen weiterverkaufte, ergriff ich die Chance und kaufte ihm den Wagen ab. Ich wollte diese Wohnform schon länger ausprobieren und nun bot sich einfach so eine Gelegenheit dazu.

Was hat dich dazu bewogen, selbst einen Wagen auszubauen?

Mein erstes Wagenbauprojekt war noch kein vollständiger Wagen. Der Wagen, den ich gemeinschaftsintern übernommen hatte, wies eine stark beschädigte Wand auf. Das Holz der Verschalung war morsch und an einer Stelle so kaputt, dass die Isolation sichtbar war und bei Regen durchnässt wurde. Schon beim Kauf war mir klar, dass ich die Wand erneuern würde.

Ich befand mich in der glücklichen Lage, mit Menschen zusammenzuwohnen, die schon selbst einen Wagen gebaut hatten. Ich stellte viele Fragen und lernte, wie eine Wand aufgebaut ist. Ich kam zu dem Ergebnis, dass eine Wand von Innen nach Aussen aus einer Dreischichtplatte, dem Grundgerüst und Isolation, eventuell einer Holzfaserdämmplatte, Windpapier, Hinterlüftungslatten und einer Aussenverschalung besteht. Daraufhin machte ich mich auf die Suche, das Material in der Menge, in der ich es brauche, zu einem erschwinglichen Preis zu bekommen. Bei Stroba Naturbaustoffe in Kemptthal erwarb ich die Isolation und das Windpapier, beim Holzhandel und in der Sägerei bekam ich den Rest.

Was hat dich zum jetzigen und zum vergangenen Bau inspiriert?

Der Wagen, den ich übernahm und bei dem ich schlussendlich nicht nur eine, sondern zwei Wände umbauen musste, war nur mit 4 cm Dämmmaterial isoliert. Damit war ich auf Dauer nicht glücklich. Viele Überlegungen führten zum Fazit, dass eine umfängliche Renovation vermutlich aufwändiger wäre, als der Bau eines Neuwagens. So entschied ich mich für den Neubau.

Wie lange dauert es, von der Planung bis zum fertigen Wagen?

Beim ersten Wagen fing ich im Dezember mit der Planung an. Im Mai des darauffolgenden Jahres begann ich mit dem Bau und Ende November war ich fertig. Die Zeitspanne schliesst den Innenausbau aus, da ich ein paar Möbel, die ich vorher schon hatte, verwendete. Ich hatte neben dem Bau einen 50%-Job, der mich komplett überlastete. Während der Bauzeit war mein Stresslevel sehr hoch, sodass ich nach dem Bau zwei Monate total ausgelaugt und viel krank war.

Den zweiten Wagen plante ich ca. zwei Jahre später. Ende März kündigte ich meinen Job und konzentrierte mich ganz aufs Bauen. Im April hatte ich bereits alle Materialien besorgt, um im Mai mit dem Bau starten zu können. Anfang September war der Wagen fertig und ab dem Zeitpunkt wohnte ich darin. Bis Ende November waren die Solaranlage und der Innenausbau abgeschlossen.

Alles in allem dauerte der Bau des ersten Wagens ungefähr dreimal so lange und beim zweiten Wagen etwa doppelt so lange, wie eigentlich geplant.

Wie viel kostet es, einen Wagen selbst auszubauen?

Das Material des ersten Wagens, ohne die Solaranlage und Innenausbau, jedoch mit neuen Fenstern kostete ca. CHF 25‘000. Das Material des zweiten Wagens mit der Solaranlage, dem Innenausbau, mit neuen Fenstern und neuem Fahrgestell, ca. CHF 35’000. Dazu kamen Lohnkosten für fachliche Hilfe.

Wie viel Zeit hast du pro Tag, Woche und Monat für die Planung und den Bau aufgewendet?

Die Planungszeit kann ich schwer einschätzen. Ich plante eigentlich die ganze Zeit – beim Warten auf den Bus, während des Kochens usw. Einige Masse wusste ich bald auswendig.

Während des Baus habe ich in der Regel fünf Tage die Woche am Wagen gearbeitet. Ich benötigte viel Zeit, um Arbeitsschritte und gemeisterte Herausforderungen innerlich nachschwingen zu lassen und zu integrieren. Vor allem in den ersten drei Monaten, also Mai, Juni, und Juli baute ich circa einen halben Tag und verarbeitete innerlich ungefähr einen halben Tag. In den darauffolgenden drei Monaten wurde die sichtbare Arbeit pro Tag mehr. Teilweise arbeitete ich den ganzen Tag, ausser während der Mahlzeiten und Gassigehen mit dem Hund.

Renovation Beginn und Ende

Was hast du bei deinem zweiten Ausbau anders gemacht, als bei deinem Ersten?

Beim ersten Wagen habe ich das Fahrgestell eines Lastwagenanhängers gekauft. Dieses war sehr massiv und rostete über längere Zeit nur minimal. Es wog jedoch 4.5 Tonnen. Beim Aufbocken des Wagens auf einer schrägen Wiese fühlte ich mich total überfordert. Ausserdem befand sich die obere Kante des Fahrgestells auf 1.3 m Höhe. Somit war der höchste Punkt des fertigen Wagens auf 3.93 m. Als ich fertig war, betrachtete ich den Wagen in seiner Grösse und dachte: «Meine Güte, was hab ich getan?»

Beim zweiten Wagen entschied ich mich für ein niedrigeres, kürzeres und wesentlich leichteres Fahrgestell.
Beim ersten Wagen habe ich den Wandaufbau ohne Holzfaserdämmplatte gemacht, beim zweiten mit. Dadurch war der Wagen besser gedämmt, absorbierte mehr Schallwellen und hatte ein geringeres Schimmelrisiko.

Wie warst du in der Lage, erst einen Wagen selbst auszubauen und anschliessend zwei Wagen selbst zu bauen? Hast du eine fachliche Ausbildung?

Ich habe keine handwerkliche Ausbildung, sondern bin Sozialpädagogin. Einige Erfahrungen konnte ich durch Learning by Doing sammeln. Angefangen habe ich mit Legenestern für die Hühner und einem Kükengehege. Bei der Teilrenovation des ersten Wagens, konnte ich immer wieder Mitbewohner meiner Gemeinschaft bitten, mir etwas zu erklären oder zu zeigen. Ausserdem arbeitete ich bei Renovationsprojekten im Haus mit. So konnte ich genügend Wissen sammeln, um beide Wagen alleine planen und das Material besorgen zu können.

Beim Bau erhielt ich Unterstützung von einem Schreiner, der auf Wanderschaft viele Zimmermannsarbeiten gemacht hatte. Gemeinsam bauten wir das Grundgerüst, wickelten das Windpapier herum, verlegten das Dach, nagelten den Boden und bauten die Fenster ein. Die Dreischichtplatten montierte ich zusammen mit einer Person ohne fachliche Ausbildung. Das Zuschneiden und Einpassen der Isolation, das Anschrauben der Hinterlüftungslatten, die Montage der Aussenverschalung, das Verlegen der Kabel beim zweiten Wagen, sowie das Schleifen und Ölen der Boden und Wände konnte ich selbst durchführen.

Was sind die Eckdaten deiner Bauwagen?

Der erste Wagen ist 2.55 m breit, fast 4 m hoch, 7.5 m lang und ca. 8 t schwer.
Der zweite Wagen ist 2.55 m breit, 3.3 m hoch, knapp 6 m lang und 3.5 t schwer.

Zweiter Wagen fast fertig

Wie machst du es mit dem Strom und dem Heizen?

Beim ersten Wagen brauchte ich externen Strom, beim zweiten habe ich eine Solaranlage. In beiden Wagen hat es einen Ofen, in dem ich mit Holz heize. Im zweiten Wagen kann ich auf dem Ofen auch kochen. Das konnte ich im ersten Wagen nicht.

Wie werden deine Bauwagen isoliert?

Beide Wagen mit Schafwolle und den zweiten zusätzlich noch mit einer Holzfaserdämmplatte.

Was empfiehlst du Leuten, die draussen bauen? Was muss man beachten?

Folgender Ablauf hat sich beim Bau des zweiten Wagens bewährt: Zuerst das Grundgerüst errichten. Falls das nass wird, ist es unproblematisch, da es wieder trocknen kann. Danach die Holzfaserdämmplatten, die auch eine Weile wasserdicht sind und die Windpapierfolie montieren. Im Anschluss ist es ratsam, möglichst schnell die Hinterlüftungslatten anzuschrauben, damit diese nicht durch starken Wind weggerissen werden kann. Nach der Befestigung der Hinterlüftungslatten erfolgt die Montage des Dachs. Nun ist der Wagen wasserdicht und man kann in Ruhe und je nach Wetter weiterarbeiten.

Was sind Dinge, die du im ganzen Prozess gelernt hast?

· Vorkehrungen treffen, um Regenschäden zu minimieren
· Vor Baubeginn das ganze Material am Standort haben
· Sorgfältige Planung und Vorüberlegung der Arbeitsschritte
· Das innere Stresslevel ernst nehmen und bei Bedarf Pausen machen
· Reservezeit einplanen – da Arbeitsschritte in der Regel doppelt bis dreifach so lange dauern wie geplant
· umfassendes handwerkliches Know-how
· Bereitschaft, Unterstützung anzunehmen

Welche Dinge hast du erst beim Bau gelernt, die du vorher gar nicht bedacht hast?

Da fällt mir nichts ein, da ich bei der Renovierung meines ersten Wagens schon viel gelernt habe und Monate vor Baubeginn mit der Planung begonnen habe. In Gedanken habe ich den ganzen Wagen hunderte Male gebaut und viele Fragen geklärt.

Hast du Tipps in Bezug auf das Bauen, die Planung, die Finanzen usw.?

Ich finde es lohnenswert, massgeschneiderte Fenster in den gewünschten Dimensionen einzubauen. Besonders beim zweiten Wagen habe ich die Inneneinrichtung sehr detailliert geplant. Auf 11.4 Quadratmetern Fläche befinden sich nun Küche, Toilette, Ofen, Holzlager, Garderobe, Regal und Bett. Dank den optimal platzierten Fenstern in maximaler Grösse ist der Wagen lichtdurchflutet.

Ebenfalls hat sich bewährt, bereits ein halbes Jahr vor Baubeginn mit der Planung zu beginnen. Dadurch konnte ich das benötigte Material rechtzeitig beschaffen und liefern lassen und mich anschliessend ganz auf den Bau konzentrieren.

Was ist deiner Meinung nach beim Bau einer Kleinwohnform unverzichtbar?

Wenn man selbst keine holzhandwerkliche Ausbildung hat: auf jeden Fall fachliche Hilfe holen.

Was war bisher dein emotionalster oder stressigster Moment beim Bau?

Beim ersten Wagen hatte ich das Windpapier und die Hinterlüftungslatten befestigt und dachte, der Wagen sei nun dicht. Eines Abends wies mich ein Mitbewohner darauf hin, dass meine Windpapierfolie für Wände gedacht sei und auf dem Dach nur beschränkt dicht ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Dach bereits isoliert und die Deckenplatten montiert. Der Schreiner und ich haben dann so schnell wie möglich das Dach neu verlegt. Beim Anschrauben der letzten paar Schrauben fielen die ersten Regentropfen und kurz darauf fiel ein sintflutartiger Regen vom Himmel. Ich war in dem Moment unglaublich erleichtert und dankbar, dass mein Wagen nun dicht war.

Danke

Vielen Dank, Isabel, für diesen spannenden Einblick in die Welt des Wagenselbstbaus.

Der zweite Wagen ist fertig

ÜBER ISABEL

Seit fünf Jahren Tiny House Bewohnerin und hat seither 2 Wagen selbst ausgebaut. Bei Fragen zum Wagenbau, kannst du dich gerne direkt an Isabel wenden.

Interviewpartnerin: Isabel Güttinger | Autorin: Miriam Goldmann

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