Dass Unabhängigkeit ein Trugschluss ist, haben wir im ersten Teil dieser Serie „Stromversorgung in Kleinwohnformen“ erfahren. In diesem Teil möchten wir uns nun anschauen, wofür wir „Strom“ verbrauchen und wie sich dieser Bedarf auf den Autarkie-Grad auswirkt.

Warum wir Strom brauchen – Die Verbraucher

Eigentlich ist es erschreckend, wofür wir heute alles „Strom“ (ver-)brauchen, wie abhängig wir von der unsichtbaren Energie geworden sind. Kaum etwas funktioniert längerfristig ohne elektrische Energie.
Nicht nur Licht, Kühlschrank, Heizung, Internet und Co. benötigen elektrische Energie, sondern auch das meiste im alltäglichen Leben. Wasserversorgung, Treibstoffversorgung, Nahrungsmittelversorgung bis hin zu einem grossen Teil unseres Zahlungsverkehrs.

Für unser kleines Zuhause sind jedoch nur eine Handvoll Verbraucher / Geräte entscheidend, da sich um den Rest jemand anderes kümmert. Wie schon erwähnt, steht eine autarke Stromversorgung auf vier Grundpfeilern, welche sich gegenseitig beeinflussen. Darum können wir keinen dieser Teilbereiche abschliessen und die Lösung in der Hand halten. Wir werden uns 2, 3-mal mit jedem Thema befassen und Anpassungen vornehmen, welche durch je einen anderen Bereich beeinflusst werden oder die Gewichtung ändern.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass das Heizen am meisten Energie benötigt, gefolgt von der Kühlung. Auch elektrische Werkzeuge können einen grossen Energiebedarf haben. Natürlich ist die Betriebsdauer von entscheidender Bedeutung. Die Isolation der Wohnform spielt eine grosse Rolle in Bezug auf das Heizen / Kühlen, was beim Investitionsgedanken berücksichtigt werden sollte. Auch die Effizienz von Geräten spielt eine Rolle sowie die Installation, beispielsweise bei einem Kühlschrank (Abwärme).

Da Licht hauptsächlich in LED-Technologie daherkommt, wird dies kaum oben auf der Liste anzutreffen sein. So bleiben noch individuelle Verbraucher wie Internet, Computer, Küchengeräte, etc und evt. eine Waschmaschine.

Der Sommer ist mehrheitlich die unproblematischere Saison, da die Sonne länger und intensiver scheint und damit auch das Heizen und Licht weniger Energie benötigen.

Daraus wird ersichtlich, dass wir uns für eine autarke Stromversorgung schnell die Fragen bezüglich Heizen und Kühlen mit Strom stellen werden.

Haben wir sehr viel Fläche für Solarpanels zur Verfügung und leben oberhalb der Nebelgrenze, kann eine Fussboden- oder Infrarotheizung je nach Solarertrag als Zusatzheizung Sinn ergeben. Gleiches kann für eine Klimaanlage für den Sommer gelten. Ich würde mich jedoch nicht für eine rein elektrische Heizung entscheiden, wenn ich im Tiny elektrisch autark sein möchte.

Wie viel Strom benötige ich denn jetzt?

Strom? Um es technisch korrekt auszusprechen, sprechen wir nachfolgend von „Energie“, die wir verbrauchen oder für etwas aufwenden. Denn „Strom“ ist eine Einheit der elektrischen Energie, welche jedoch alleine nichts über die Energiemenge aussagt. Da wir uns mit verschiedenen „Verbrauchern“ beschäftigen, die wir möglichst autark betreiben wollen, wird uns die verbrauchte Menge an Energie zwangsläufig interessieren.

Gehen wir also an dieser Stelle zuerst kurz auf diese Einheiten ein.

Die elektrische Energie „Watt“ setzt sich zusammen aus der Spannung „Volt“ und einer Menge an Strom „Ampere“. Um sich dies einfacher vorstellen zu können, nehmen wir den Wasserkreislauf zur Hilfe. Spannung „Volt“ ist der Wasserdruck – Strom „Ampere“ ist die Menge des Wassers, was zusammen die Energiemenge ergibt.

Daraus sehen wir schon die Berechnung:
Spannung „Volt“ x Strom „Ampere“ = Leistung „Watt“
Leistung „Watt“ / Spannung „Volt“ = Strom „Ampere“

Jede Energie wird für eine gewisse Zeit benötigt, verbraucht, produziert oder gespeichert, sie wird darum in Energie pro Stunde angegeben. Wh -> Wattstunde, kWh -> Kilowattstunde (1000Wh).

Fast ausnahmslos alle Geräte haben eine Leistungsangabe auf dem Typenschild, diese ist meist höher als der wirkliche, dauernde Verbrauch. Meistens aber alles, was man bekommt. Will man es genau wissen, helfen steckbare Energiezähler aus dem Baumarkt oder Fachhandel weiter.

  • Kühlschränke laufen je nach Umgebungstemperatur und Abwärmewegführung ca. 30-40% der Zeit.
  • Kapselkaffeemaschinen benötigen für einen Kaffee (Ein – Kaffee raus – Aus) ca. 24Wh pro Kaffee. Sie sparen viel Energie, verglichen mit Kaffee kochen auf dem Herd.

  • Wasserkocher sind der effizienteste Weg zur Wassererwärmung und optimal zur Solarstromnutzung. So benötigt man zum Kochen 1 Liter Wassers mit einem Wasserkocher, ca. 120Wh, mit der Pfanne auf dem Herd ca. viermal so viel.

Um eine Ahnung unseres täglichen Verbrauches zu bekommen, müssen wir alle „Verbraucher“ auflisten und deren Energieverbrauch pro Zeit zusammenzählen. Am besten und einfachsten in Wattstunden mit dem grössten Verbraucher zu oberst. Autarking stellt dir eine Excel-Vorlage zur Berechnung zur Verfügung.

Gerät Spannung Strom Leistung Zeit Energie
Kühlschrank 12V 5A 60W 8 Std 480 Wh
Kaffeemaschine 230V 5.56A 1280W 0.2 Std 256 Wh
Laptop 230V 0.174A 40W 1 Std 40 Wh
3x Licht LED 12V 0.5A 6W 5 Std 30Wh
Wasserpumpe 12V 6A 72W 0.0333 Std 2.4 Wh
TOTAL 809 Wh

Et voilà

Viel Spass beim Berechnen deines Verbrauches und beim Finden von Alternativen.

Da alles, was ich verbrauche, ich oder jemand anders auch produzieren und gegebenenfalls speichern muss, geht es beim nächsten Beitrag um die Energieerzeugung. So kannst du dir neben deinem Verbrauch auch über die Erzeugung Gedanken machen:

  • Ein erwachsener Mensch kann beim längeren Radfahren im Durchschnitt 100W Energie erzeugen (was einer Geschwindigkeit von ungefähr 20km/h entspricht). Spitzensportler erreichen 400W und bis zu 900W Spitze, dies jedoch kaum über einen längeren Zeitraum.
  • 1m2 Solarpanelfläche erzeugt +/- 200W Spitze. In unseren Breitengraden, im Sommer ca. 750Wh pro Tag.
  • 1dl Diesel hat eine Energiedichte von 1kWh, wobei nur ca. 1/5 davon als elektrische Energie genutzt werden kann .

ÜBER SILVIO

Seit 15 Jahren beschäftigt sich Silvio Franceschini mit unabhängigen Stromversorgungssystemen, sei es auf dem Wasser, an Land oder auf der Strasse. Ein wesentlicher Bestandteil seines Fachwissens beruht auf praktischen Erfahrungen als Marinetechniker und Segler im In- und Ausland. Inselanlagen und Solarheimspeicher sind sein aktuelles Fachgebiet. Silvio teilt sein Wissen gerne mit Interessierten.

Silvio Franceschini | Autarking AG & Tinyhaus Solar